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RUINEN
JUNKIE

Begegnung in der Tuchfabrik

16/1/2016

 
BildLetzte Sonnenstrahlen.
Wie vermutlich viele Fotografen liebe ich das Licht. Befinde ich mich in einem verlassenen Gebäude und die Dunkelheit bricht herein, klappe ich mein Stativ zusammen. Nicht nur, dass mir das Fotografieren ohne Licht weniger Freude bereitet - ein Gebäude, das im Sonnenschein soeben noch ein freundlicher Verweilort schien, verändert im Zwielicht länger werdender Schatten, die die baldige Finsternis ankündigen, sein Gesicht. Zumal, wenn man ganz alleine ist. Und das kommt vor.
 
Mit schwindendem Sonnenlicht beginnen kaputte Fenster, halb geschlossene Türen und aus ihrer Verankerung gerissene Bleche ein schauerlich lautes Konzert. Treppen und Gänge verlängern sich auf nun eilig eingeschlagenen Rückwegen ungefähr um das Doppelte und der vermeintlich kürzeste Weg zum sicheren Ausgang endet mindestens zwei Mal im verbarrikadierten Nichts.

So oder so ähnlich war es an jenem Montagabend in der alten Tuchfabrik, in der ich mich seit zwei Stunden in einem spontanen Alleingang befand. Der Motivvielfalt eines Heizungskellers zu lange erlegen, hatte ich dort das Ende des Tages schlichtweg verpasst. Während in dem Raum ohne Fenster die Dunkelheit nichts Erschreckendes hatte, denn dort gehörte sie hin, erwischte sie mich außerhalb des Kellers völlig unvorbereitet. Mittlerweile war die Finsternis überall. Es wurde Zeit für mich zu gehen.
 
Allerdings war es bereits zu spät. In den Chor der nun deutlich zu vernehmenden Eigengeräusche des alten Gemäuers, die zuvor zwar nicht zu hören gewesen aber vermutlich erklärbar waren, gesellten sich andere, weit beunruhigendere, da sehr reale Töne. Deutlich vernahm ich die Schritte mehrerer Personen.
 
Das Dumme in solchen Situationen ist, dass man nie weiß wer es ist.
 
Als die Gruppe von ungefähr 10 jungen Männern mit festem Schuhwerk, einheitlichem Kleidungsstil und durchweg keinen Haaren auf dem Kopf um die Ecke bog war ich dann doch perplex. Eine Ansammlung Neonazis hatte ich nun nicht erwartet.

Was sie sich so dachten, als wir plötzlich Angesicht zu Angesicht standen, vermag ich nicht zu sagen. Weder sprachen sie ein Wort noch gingen sie zuvorkommend zur Seite, um mich vorbeizulassen. Entschlossen, an der Normalität der Situation keinerlei Zweifel aufkommen zu lassen, ergriff ich die Initiative. Auf mein freundliches "Hallo" war mir jedoch keine Antwort vergönnt. Und dies trug zur Analyse der Lage wenig bei.

Da meinerseits alles gesagt war umrundete ich die Gruppe nun zielstrebig. Als ich bereits mehrere Räume unbehelligt hinter mir gelassen hatte, erkannte ich allerdings meinen Irrtum. Wie es in solchen Fällen die Regel ist, endete mein kopflos eingschlagener Weg in einer Sackgasse. Der illustren Bruderschaft wollte ich nicht so gerne ein zweites Mal über den Weg laufen. Ich argwöhnte, sie könnte sich inzwischen aus der ersten Verblüffungsstarre gelöst haben und mir möglicherweise Ärger bereiten. Als ich deshalb linkerhand ein zerbrochenes Fenster erblickte kam es mir wie die weitaus beste Ausstiegsalternative vor.

Die Höhe des Fensters war keineswegs ideal, die Lücke in der zerbrochenen Scheibe für meinen Geschmack zu eng und mein Aufstieg weder leise noch elegant. Alles hat Vor- und Nachteile, so auch das Alleine-Urbexen. Der größte Nachteil ist: man hat niemanden dem man bei Bedarf den Fotorucksack und das Stativ in die Hand drücken kann. Jeder, der sich schon einmal mit einem querhängenden Stativ in einem Fensterrahmen verkeilt hat, weiß wovon die Rede ist. Als Vorteil wiederum darf gelten: es gibt keine Zeugen für derart unwürdige Auftritte und die spätere Schilderung der Ereignisse wird selbstverständlich eine andere sein.
 
In diesem Moment hingegen war ich keineswegs unbeobachtet. Plötzlich spürte ich eine Hand an meinem Arm und eine männliche Stimme sagte: „Warte“. Nur dieses eine Wort – und das konnte alles Mögliche bedeuten. Als ich mich umdrehte blickte ich einem der Männer, welche die Schuld an meinem unbequemen Ausstiegsversuch trugen, ins Gesicht. Meine heimliche Befürchtung, in den Raum zurückgezogen zu werden war jedoch unbegründet. Man half mir durch das Fenster.
 
Nun ist es keineswegs schön und alles andere als politisch korrekt, die Hilfe eines Menschens rechter Gesinnung einfach so zu akzeptieren. Jedoch, so mein moralisch zweifelhafter Trost, unser Meinungsaustausch war nicht sonderlich intensiv ausgefallen und möglicherweise trog der optische Anschein. Wenngleich er durch die einschlägige Tätowierung auf dem Unterarm meines Helfers  eine unzweideutige Abrundung erfuhr.
 
Der letzte Blick, den ich in den Raum warf, blieb an der Gemeinschaft stummer Männer einheitlichen Erscheinungsbildes haften, die finsteren Blicks im Zwielicht standen. Ohne die merkwürdige Situation weiter zu hinterfragen sagte ich „Danke, dann noch einen schönen Abend!“ zum Abschied und erhielt, wie ich es erwartet hatte, keine Antwort.

Unsanft, da inzwischen etwas hektisch, landete ich in einem Brombeergestrüpp, kratzte mir eine Schramme ins Gesicht und riss mir einen Absatz meines Schuhwerks ab, das weder für derartige Aktionen geeignet noch jemals von mir dafür gedacht gewesen war und das ich vor Expeditionsbeginn aus purer Faulheit nicht gewechselt hatte. Mit dem möglicherweise unbegründeten aber dumpfen Gefühl, irgendeinem Übel noch einmal von der Schippe gesprungen zu sein ließ ich die bei Sonnenlicht so freundlich erscheinende Tuchfabrik für diesen Tag hinter mir. Und mit ihr ihre abendlichen Besucher, denen ich bezüglich ihrer politischen Einstellung vielleicht Unrecht getan habe. Was - nüchtern betrachtet - wenig wahrscheinlich ist.


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